Predigt der Vorsitzenden der ACK in Bayern, Dekanin Christine Schürmann, zur Delegiertenkonferenz 2023

(3.2.2023, Kirche St. Moritz, Augsburg)                  

– Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Schwestern,

liebe Brüder,

hinter uns liegen intensive Stunden und morgen hören wir weiter „in die Zukunft hinein“.

Ökumene fragt immer nach den Perspektiven  – nach den einigenden Perspektiven und es gibt  keinen besseren Ort als diese Kirche, um darüber zu meditieren.

Unsere Perspektive : wir schauen in die Apsis  dieser St. Moritzkirche. Sie zeigt uns das helle, weite, himmlische Jerusalem – und aus dieser Apsis, aus dem himmlischen Jerusalem kommt uns – bewegt und schwungvoll: Christus Salvator entgegen.

Kaum eine Christusdarstellung geht mich mehr an, spricht mich mehr an als diese von Georg Petel aus dem Jahr 1634.

Der deutsche Michelangelo – ein Bildhauer im dreißigjährigen Krieg –

erschafft einen Christus, der mich nicht loslässt

mit dieser eigentümlichen Mischung aus Präsenz und Dynamik;

Präsenz und Dynamik diese Mischung hat mich inspiriert – diese Mischung ist Christus und diese Mischung übernehmen wir für uns:

Präsenz – das ist das Sein im Moment   – das ist Anziehungskraft aus dem puren Dasein heraus, Aufmerksamkeit heischend, erwartungsvolles Wachsein erwartend, alle Sinne gespannt und auf Empfang

Auf IHN / CHRISTUS hin.

Das ist christliche Existenz

Hier unter uns will ich zuspitzen – das ist kirchliche Existenz

Präsenz auf IHN hin

Sich anziehen lassen von Christus, volle Aufmerksamkeit auf ihn, erwartungsvoll wach für ihn, alle Sinne gespannt und auf Empfang für ihn gestellt.

So sind Christen auf Zukunft hin unterwegs.

Petels Christus Salvator ist aber nicht nur präsent und erwartet diese Präsenz von uns –

Christus eilt uns rettend entgegen.

Auf dem Sprung, im Eilschritt unser Retter !

So wie Christus präsent ist

und uns dynamisch rettet –

so auch unsere kirchliche Existenz: präsent in der Welt und mit der Aufgabe zu retten ! und zwar dynamisch – nicht im Stillstand und nicht im immer gleichen „Weiter so“.

Kirchliche Existenz ist nicht nur Präsenz, sondern eben auch Dynamik.

Bewegung, Veränderung, Nicht festgewachsen an einem Ort bleiben, aufbruchsbereit, zukunftsgesinnt.

DASEIN und VERÄNDERUNGSBEREITSCHAFT   – das sind also keine Gegensätze sondern mir fällt dazu auch ein Motto ein, das mich seit meinem Studium begleitet – es ist ein Motto der Quäker:

grenzenlos glücklich

absolut furchtlos

immer in Schwierigkeiten

So ist es, wenn man sowohl im Augenblick präsent ist, als auch offen für die Zukunft – da kann man glücklich und furchtlos sein und oft in Schwierigkeiten geraten.

So aber habe ich mir immer Veränderung vorgestellt:

Veränderung im ganz positiven Sinn ohne Angst vor der Zukunft, im tiefen Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes.

Und deswegen versammeln wir uns um das Wort und um den auf uns zueilenden Christus:

Er ist Bild des unsichtbaren Gottes,

so schreibt der Kolosserbrief, wie wir gerade gehört haben

Gott in Christus

„Suchen wir Gott nicht in den Stürmen der Katastrophen, nicht in den Fluten des Unglücks, in den todbringenden Erbeben, die Sicherheiten erschüttern.

Lauschen wir vielmehr seiner Stimme im

leisen Hauch menschlichen Mitgefühls,

in den Äußerungen solidarischer Hilfe.

Gott ist in unserer Welt in den Äußerungen menschlicher Liebe und Solidarität.“

(Thomás Halík)

Christus ist das Haupt, so schreibt der Kolosserbrief weiter: der Leib aber ist die Kirche.

-eine Ökumene mit Christus als Haupt ist EIN LEIB !

Das finde ich echt inspirierend: in unseren ökumenischen Bemühungen changieren wir immer zwischen eigenem Selbstverständnis und der Verständnisbemühung der Glaubensgeschwister; dabei könnten wir auch – angstfrei und mit Christus als Haupt sagen: Ökumenisch geht es nicht um uns selbst, sondern immer um den anderen. Einander zum rettenden Christus werden – das ist einigende Ökumene.

Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in Christus wohnen,

 um durch ihn alles auf ihn hin zu versöhnen.

Damit ist alles gesagt.

Lassen wir uns durch Christus Salvator hineinziehen in den unendlichen Lichtraum, in jenes weite helle Jerusalem und gönnen wir uns unseren christlichen Versöhnungsidealismus.

Ich habe in diesem weihnachtlichen Festkreis beschlossen, dass ich allen irdischen, vernünftigen Realismen widerstehen will und an der phänomenalen Idealität der Weihnachtsbotschaft festhalten will. Ein Kind, Christus, entwaffnet unsere Welt – das war mir dieses Jahr   der Hoffnungssatz und wenn die entwaffnende Botschaft der Profeten und des Kolosserbriefes auch manchmal nur als Hoffnungsschimmer glimmt: wir sind´s, die den Schimmer aufhellen, zum hellen, unendlichen Lichtraum machen: durch Versöhnungsbereitschaft, Angstfreiheit, durch Dasein und Veränderungsbereitschaft.

Christus entwaffnet unsere Kommunikation, entwaffnet unsere Welt und wir sind Botschafter dieser Entwaffnung: an Christi statt unterwegs –

Behalten wir diesen entwaffnenden Christus Salvator, der uns rettend entgegeneilt im Herzen – das wünsche ich uns und damit ist alles gesagt:

Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in Christus wohnen,

 um durch ihn alles auf ihn hin zu versöhnen.

Amen

(Internetseite Moritzkirche): https://www.moritzkirche.de/

In der Bombennacht vom 24./25. Februar 1944 wurde die Kirche bis auf Säulen und Außenmauern zerstört. Lediglich der Turm und einige Gegenstände der Innenausstattung blieben unversehrt. Dominikus Böhm, einer der angesehensten Architekten dieser Zeit, schuf mit dem Wiederaufbau ein einzigartiges Bauwerk unter Bewahrung des ursprünglich romanischen, dreischiffigen Baukörpers. Zur Liturgiereform in den 1960-er Jahren wurde der Raum nochmals überarbeitet.

Anläßlich des 2019 bevorstehenden 1000-jährigen  Gründungsjubiläums wurde der Innenraum zwischen 2008 und 2013 durch das Architekturbüro John Pawson, London neu gestaltet. Der Kreuzgang wird bis Anfang 2018 fertiggestellt.

Die Neugestaltung und ihr Lichtkonzept sind vielfach international ausgezeichnet und so zählt heute die Augsburger Moritzkirche zu den herausragenden Beispielen moderner Sakralarchitektur in historischem Bestand.

Christus Salvator (1634) von Georg Petel. Dieser am Ende der Zeit wieder-kommende Christus zieht durch seine Präsenz und Dynamik die Besucher in seinen Bann. Dahinter öffnet sich die Apsis als unendlich anmutender Lichtraum als Versinnbildlichung des himmlischen Jerusalems.

Die Predigt können Sie auch als .pdf-Datei hier lesen.